Moderne Soundformat - willkommen in der dritten Dimension

Seit einigen Jahren gibt es - wie stets vieldiskutiert - neue Tonformte, die zum Ziel haben, den Zuhörer mitten in den Klang zu stellen. Ein viel genutztes Stichwort ist dabei die aus der Gaming Branche und VR Welten entnommene Bezeichnung "immersiv". Ich möchte darauf eingehen, welche Tonformate es gibt und wie die Entwicklung weiter gehen könnte.

 

Klassische Musikproduktionen sind in der Regel eindimensional auf einer virtuellen Linie zwischen linkem und rechtem Lautsprecher positioniert, wobei man mittels Halleffekten eine gewisse Tiefenstaffelung des Klangs "hinter" den Lautsprechern erzeugen kann. Hört man Musik mit Kopfhörern, so scheint sie im Kopf zu erklingen. Im Film- und Gamesbereich wurde ab den 90er Jahren mittels Dolby Surround ein zweidimensionaler Klang etabliert, der durch 5 (oder mehr) Lautsprecher rund um den Zuhörer und Subwoofer erstmals ein Rundumgefühl entwickelte. In der Musikproduktion setzte sich dieses Format nicht durch.

 

Seit einigen Jahren zieht nun die dritte Dimension in den Klang ein. Mit Dolby Atmos und dem in Asien stärker verbreiteten Auro 3D sind Formate entwickelt worden, die neben der Lautsprecherebene rund um die Zuhörer eine zweite Ebene über den Köpfen etablierte. Nun kann man erstmals Klänge nicht nur zweidimensional, sondern auch in der Höhe staffeln. Nachteil dieser Formate sind relativ komplexe Lautsprecheranordnungen (Arrays), die sich wenig für den Hausgebrauch eignen. Es gibt Ansätze, den Klang mit Sound Bars über die Deckenreflexion auf den Zuhörer zu projizieren, eine feine Auflösung wie in einem für Dolby Atmos zertifizierten Ki9no wird man so freilich nicht erreichen können.

Im Bereich von Hörspielen gab es ca. in den 80er Jahren bereits einen Trend zu dreidimensionalen Formaten unter dem Stichwort binaurale Aufnahmen. Diese wurden erreicht durch Kunstkopfaufnahmen. Ein Kunstkopf ist ein nachmodellierter Kopf, bei dem am Ende der Gehörgänge zwei Mikrofone sitzen. Hört man binaurale Aufnahmen mit handelsüblichen Kopfhörern, entsteht ein dreidimensionaler Höreindruck. Dies funktioniert besonders gut, wenn man offene Kopfhörer verwendet. Seit einigen Jahren kann man die akustischen Prozesse, die bei einer Kunstkopfaufnahme passieren, algorithmisch simulieren. Auf dieser Basis ist etwa das interaktive Hörspiel Cura produziert worden. Auch das 2018 mit einem Grammy ausgezeichnete 3-D Der Katalog von Kraftwerk gibt es in einer Dolby Atmos und einer binauralen Mischung speziell für Kopfhörer. Binaurale Aufnahmen vermeiden die sogenannte im-Kopf-Lokalisation, das heißt, obwohl man Kopfhörer verwendet, scheint der Klang wie gewohnt über Lautsprecher vor einem oder um einen herum zu kommen.

 

Der nächste Schritt bei dreidimensoinalem Ton sind Ambisonics. Hierbei handelt es sich um verschieden aufwändige Tonformate, die nach der Aufnahme passend zum Inhalt rotiert werden können. Dies kann in der Postproduktion oder – einen Bewegungssensor im Kopfhörer vorausgesetzt – erst bei der Wiedergabe geschehen. Es liegt nahe, dass Ambisonics das perfekte Tonformat für 360° Filme und VR/AR Produktionen sind. Da wir jedoch unbewusste Kopfbewegungen machen, um Schallquellen genauer zu lokalisieren, könnten auch andere Medien von einer solchen Weiterentwicklung profitieren. Angesichts der Tatsache, dass aufgenommener Klang zu über 80% mittels Kopfhörern gehört wird, schlummert hier ein sehr großes Potetial.